How to do: Indien! Nähe und Distanz, Körperkontakt in Indien
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How to do: Indien!
Körperkontakt.
Wann ist Nähe erlaubt oder erwünscht und wann ist Distanz erforderlich?

Inder haben ein für Europäer kompliziertes Verhältnis zu Nähe und Distanz. Offiziell dürfen sich ein Mann und eine Frau nicht berühren, wenn sie nicht verwandt oder verheiratet sind. Aber das ist unwichtig, wenn man in der Warteschlange steht. Wenn ich anstehe um ein U-Bahn-Ticket zu kaufen, stehen die Menschen, die nach mir dran sind unangenehm dicht hinter mir. Und auch ich muss sehr dicht zum Vordermann aufschließen, wenn ich nicht überholt werden will. Sobald die Lücke zwischen mir und den vor mir stehenden den Abstand hat, wie ich es in Europa gewohnt bin, quetscht sich jemand dazwischen, als hätte ich den Platz extra freigehalten.

In der U-Bahn selbst gibt es zum Glück gesonderte Bereiche für Frauen. Das Gedränge dort ist oft mehr als nur ein bisschen eng. In der Rushhour ist es so voll, das ich meinen Rucksack über meinen Kopf halten muss, damit er mit reinpasst. Menschen werden zusammengepresst wie Sardinen in der Dose.
Hier ist ein wichtiger Hinweis für Reisende: Rucksack und Tasche vor dem Bauch tragen und Wertsachen unter der Kleidung verstecken. Bei dem Gedränge wird es schwer, festzustellen, ob jemand versucht, einen um seinen Besitz zu erleichtern.

Kommt Liebe mit ins Spiel rückt man aber wieder weit von einander ab. Junge Paare sieht man nur selten Händchen halten. Und auch nur in den modernen, eher touristischen Gegenden, können die Verliebten sich offen bekennen.
Ich war in diesem Jahr am Valentinstag zum Sonnenuntergang am Hogli-river, einem der romantischsten Plätze in Kalkutta, am romantischsten Tag des Jahres. Trotzdem habe ich nicht einen öffentlichen Kuss gesehen. Eine Hand voll Paare haben sich tatsächlich an den Händen gehalten. Jedoch immer sehr zögerlich.
Es ist nicht verboten, wie viele glauben, es ist aber gesellschaftlich verpönt. Die Ehre der jungen Mädchen steht dabei immer noch auf dem Spiel. In einer Gesellschaft in der arrangierte Ehen normal sind, ist Liebe ein ‘Bollywood’-Phänomen, das sich nur langsam etabliert.

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Händchen halten in der Öffentlichkeit? Noch eher selten zu sehen.

Europäische Paare die durch Indien reisen, werden schnell merken, dass sie angestarrt werden, wenn sie sich permanent bei den Händen halten oder in den Arm nehmen. Wer sich öffentlich küsst muss damit rechnen, dass die Inder das für obszön halten. Reisebücher geben oft den Rat, sich als verheiratet auszugeben, damit die Leute einen mehr respektieren.

Als allein reisende Frau trage ich immer einen falschen Ehering, da es für Inder seltsam ist, dass ich in meinem Alter noch nicht verheiratet bin. Mit dem Ring gehe ich lästigen Fragen der Frauen und aufdringlichen Männern aus dem Weg. Im Süden ist es etwas liberaler. Der Norden, vor allem auf dem Land ist sehr konservativ. Nicht verheiratet zu sein ist dort unvorstellbar. (Es sei denn, man ist Witwe, aber das ist ein anderes Thema.)

Wenn man die Gelegenheit bekommt, sich einmal in Ruhe die Leute in den Straßen umzuschauen, stellt man fest, das Männer sich manchmal bei den Händen halten. Das ist dann nicht etwa eine romantische sondern eine freundschaftliche Geste. Zwei Männer im Gespräch, die eine Straße entlang gehen, halten oft die Hand des Anderen. Hier ist Nähe wieder erlaubt und erwünscht.

Doch wie hält man Distanz, wenn man als Frau bei einem Mann auf dem Motorrad mitfährt?

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Motorradfahren im Indien-Style. © pixabay.com

Nicht nur, das ich beide Beine auf einer Seite haben muss, ich muss auch ein paar Zentimeter Abstand zu meinem Fahrer halten. Mit einer Hand halte ich mich vorsichtig an seiner Schulter fest. Mit der anderen halte ich meinen Rock in Position, damit er weder in die Speichen gerät, noch der Fahrtwind meine Beine zeigt.

Es gibt also genug Nervenkitzel durch mangelnde Sicherheit, so dass die Nähe des anderen Geschlechts deutlich weniger spektakulär wirkt. Wer sich unter diesen Umständen in das Verkehrschaos traut, ist mutiger, als seinem Partner einen kleinen Kuss am Valentinstag am Hogli-River zum Sonnenuntergang zu geben.

Zumindest aus meiner europäischer Sicht.

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