Die Biografie einer indischen Schneiderin
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Die Menschen die bei Calcutta Rescue arbeiten haben alle ihre besonderen Geschichten.
Es sind die Geschichten von Helden. Diese Menschen hatten es nicht leicht.
Die indische Kultur basiert im wesentlichen auf dem Kastensystem der Hindus. Wer zu den niederen Kasten gehört, oder gar kein Hindu ist, der hat es meistens sehr schwer.

Heute  übersetzte ich euch die Geschichte von Husna Banu. Der Originaltext ist von Shuchi Sen, einer Mitarbeiterin von Calcutta Rescue und ehemalige Journalistin.

Husna Banu ist 58 Jahre alt, Mutter und Oma.
Ich habe sie vor allem als talentierte Schneiderin kennengelernt, die bei Calcutta Rescue in der Werkstatt arbeitet.

Husna Banus Familie ist streng muslimisch. So ist sie nie zur Schule gegangen und hat ihre Nachbarschaft als Kind nicht verlassen dürfen. Die strenge Erziehung verbunden mit dem traditionellen Rollenbild einer muslimischen Frau wird „Purdah“ genannt.
Dabei geht es vor allem um die strenge Trennung von Geschlechtern, beziehungsweise der Verhüllung der Frau, wenn sie das Haus verlässt. Aber auch ihre Aufgaben im Haus und der Gesellschaft sind damit beschrieben. Das sie heiratet, dem Ehemann Söhne schenkt und sich ganz dem Familienleben widmet.
So war ihre Kindheit vor allem durch Häuslichkeit geprägt. Sie liebte es zu nähen. Eine Beschäftigung die sie glücklich machte und dem „Purdah“ entspricht.
Als Sie mit 18 Jahren den Sohn eines entfernten Verwandten heiraten soll, wünscht sie sich als Aussteuer eine eigene Nähmaschine und ein Radio. Vor allem die Nähmaschine wurde ihr größter Schatz.

Ihr Ehemann brachte sie zu seinen Eltern in ein Dorf, während er im über 400km entfernten Kolkatta an einer Tankstelle arbeitete.
Ihre Schwiegereltern behandelten sie schlecht. Sie verweigerten ihr das Essen und schlugen sie.
Über mehrere Wochen nahm sie lediglich Wasser und Chilischoten zu sich. Als ihr Mann das herausfand holte er sie wieder zu sich nach Kolkatta. Für eine kurze Zeit ging es ihr gut und sie bekam mit ihrem Mann 2 Kinder.
Doch dann explodierte die Tankstelle und ihr Mann verbrannte.

Husnha Banu an der neuen Nähmaschine ©green Size
Husna Banu an der neuen Nähmaschine © Green Size

Wie es ist, in Indien Witwe zu sein, habe ich ja bereits an anderer Stelle beschrieben. Jetzt kommt hinzu, das sie zwei kleine Kinder hat.
Jeden Tag ging sie mit den Kleinen stundenlang in der Stadt umher um in Suppenküchen und Tafeln für Obdachlose um Essen zu bitten.
Zu dieser Zeit fing sie an für andere Leute zu nähen um für sich und die Kinder eine kleine Hütte mieten zu können.

Eines Tages sprach sie ein Mann an. Er sagte, er sei wütend auf sie und würde sie mit Säure übergießen, wenn sie nicht immer ihre Kinder bei sich hätte. Ich, die ich die Geschichte nur aufschreibe, weiß nicht, warum der Mann sie derart schlimm verletzen wollte. Ich weiß aber das so etwas in Indien häufig vorkommt und die Frauen schlimm entstellt, wenn sie es überhaupt überleben.
Husna Banu erzählt dem Mann ihre Geschichte und er ändert seine Meinung über sie.
Er gibt ihr sogar Arbeit in seiner Schneiderei und sie lernt Herrenbekleidung zu nähen.
Die Mutter des Mannes machte sich Sorgen, ihr Sohn könnte sich in Husna verlieben und griff sie eines Tages an um sie davon zu jagen. Das hatte jedoch den gegenteiligen Effekt und der Sohn stellte sich schützend vor Husna und sagte das er sie heiraten will um ihre Ehre wieder herzustellen.

Husnha bat ihn das nicht zu tun, sie war doch viel älter als er und er würde doch lieber eine junge Frau heiraten wollen. Darauf drohte er mit Selbstmord, und Husnha gab nach.
Das Paar bekam eine gemeinsame Tochter und es schien wieder als würde für Husna Banu alles doch noch gut werden. Doch als sie wieder schwanger wurde, warfen die Schwiegereltern sie endgültig aus dem Haus. Ihr Ehemann wollte nun doch eine jüngere Frau heiraten und Husna Banu war ihm im Weg.

Leider hatte die Familie ihre Nähmaschine verpfändet und so konnte sie nicht einmal mehr nähen. Sie brauchte Geld um die Nähmaschine zurück kaufen zu können. Darum ging sie mit ihren Freundinnen durch die Straßen von Kolkatta um für Politiker zu werben. Damals bekam jede der Frauen 100 Rupien dafür. Am Ende reichte es, das sie ihre Nähmaschine wieder bekam.
Sie nähte von früh bis spät um sich und die Kinder durchzubringen. Doch ihr jüngster Sohn wurde sehr Krank. Die Behandlung im Kinderkrankenhaus konnte sie sich nicht leisten, doch schließlich erhielt sie den Tipp, zu einem Arzt zu gehen, der ihr Baby kostenlos behandeln würde. Sie hörte hier zum ersten mal von Dr. Pregger und Calcutta Rescue. Der freundliche Arzt gab ihrem Sohn Medizin und sagte, das er unterernährt wäre. Damit Husna Banu ihre Kinder besser ernähren könnte, gab er ihr Arbeit und regelmäßig Essenspakete.
Husna Banu wurde Schneiderin in der Handicraft-Werkstatt von Calcutta Rescue. Dort verdiente sie genug Geld für ihre Kinder. Doch Calcutta Rescue tat noch mehr für die Familie. Calcutta Rescue bezahlte die Schulgebühren für alle 4 Kinder und heute, da sie erwachsen sind haben sie gute Jobs.
Eines Tages kam ihr Exmann zu ihr. Er hustete Blut, nachdem er sich mit Tuberkulose angesteckt hatte.
Husna Banu nahm ihn auf und brachte ihn ebenfalls zu Calcutta Rescue. 4 Jahre lang wurde er behandelt, doch kurz nachdem auch noch Krebs im vierten Stadium festgestellt wurde, starb er.

Husna Banu ist nun zum zweiten mal Witwe. Doch das kann ihr nichts mehr anhaben. Seid über 20 Jahren ist sie die Schneidermeisterin von Calcutta Rescue. Ihre Kinder sind verheiratet und sie ist stolze Oma. Sie lebt bei ihrem jüngsten Sohn und seiner Frau. Sie gibt sich Mühe eine gute Schwiegermutter zu sein, den die junge Schwiegertochter war selbst ein Waisenkind und hat viel durchgemacht.
Nach und nach brachte Husna Banu viele Freunde zu Calcutta Rescue. Sie alle bekamen Hilfe.
Wer Medizin brauchte, bekam sie. Wer einen Job brauchte wurde ausgebildet, damit sie besser Arbeit fanden. Auch brachte Husnha Banu oft Arbeit mit nach Hause, damit ihre Familie sich noch etwas Geld dazu verdienen konnte. Ihre Tochter ist eine hervorragende Stickerin geworden und arbeitet inzwischen auch für Calcutta Rescue.
Husnha Banu wird von allen hoch respektiert und ihre Nähfähigkeiten sind überall gefragt.
Sie hat viel erlebt und mehr ausgehalten als die meisten ertragen können.

Husnha Banu ©green Size
Husna Banu © Green Size

Zum Abschluss ihrer Geschichte noch einen klugen Satz, den sie gerne sagt:
„Man kann alles in der Welt ersetzen, nur nicht ein gebrochenes Herz. Darum müssen wir aufeinander aufpassen und uns kümmern!“

 

Vielen Dank Husna Banu!

 

Und vielen Dank an Shuchi für den Text.

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Eine Meinung zu “Die Biografie einer indischen Schneiderin

  1. Marion sagt:

    Es ist unfassbar, was manche Menschen erdulden müssen! Und dass sie dann auch noch überleben, sich verbessern und anderen helfen können!

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