Mit dem Zug durch Indien
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Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben.

Das gilt im besonderen für Zugfahrten durch Indien. Wenn in Deutschland Züge zu spät kommen ist das für Reisende nicht einfach ein Problem. Es ist ein Drama auf höchstem Niveau!

Als ich meinen Freunden in Indien erzählt habe, das man sogar Schadensersatz bekommen kann, wenn man durch verspätete oder ausgefallene Züge einen finanziellen Ausfall hat, haben sie es mir nicht geglaubt. Hier sieht man das etwas entspannter.

© Green Size, Mit dem Zug durch Indien

Auf meinen Reisen durch Indien war noch kein Zug pünktlich. Der pünktlichste Zug bisher hatte auf einer Strecke von 5 Stunden nur 30 Minuten Verspätung. Ich hätte beinahe verpasst aus zu steigen, weil ich nicht geglaubt hatte, schon am Ziel meiner Reise zu sein.
Die längste Verspätung war bei einem Übernachtzug von Varanassi nach Agra. Damals hatte der Zug über 6 Stunden Verspätung. Mich hatte das sehr nervös gemacht, da ich nun einmal aus Deutschland komme und mir damals immer der Puls hochging, wenn etwas nicht pünktlich war.
Niemand außer mir im Zug schien das wirklich zu bemerken, das wir zu spät waren. Keiner rief aufgeregt bei seiner Familie an, niemand fragte den Schaffner was los sei oder diskutierte mit seinem Nachbarn über diese unzumutbaren Verhältnisse! Die Haltestellen werden auch nicht durchgesagt. Man schaut aus dem Fenster oder fragt den Schaffner, an welchem Bahnhof man gerade hält, oder wann man aussteigen muss. Die Sitznachbarn sind da in der Regel auch sehr Hilfsbereit.
Ich gebe zu, das mich das sehr aus dem Konzept gebracht hatte. Ich brauchte mehrere Bahnerlebnisse, bis ich mich an alles gewöhnt hatte.
Aber inzwischen lache ich darüber. Man ist im Zug mit Wasser und allem versorgt was man eventuell brauchen könnte.

Das bringt mich auch gleich zum nächsten Punkt:
Die Geschäftemacherei im Zug!
Eigentlich eine praktische Sache. Ständig, auch Nachts, laufen fliegende Händler durch den Zug. Snacks, Sandwiches, gekochte Eier, Kaffee und Chai. Chips und Nüsse, Puffreis mit scharfen Gewürzen und noch viel mehr zu Essen. Dann bekommt man auch noch Spielkarten, Kinderspielzeug, regionales Kunsthandwerk, praktische Küchenhelfer, Zeitungen, Bücher, Metallketten und Schlösser um sein Gepäck anzuketten. Schuster verkaufen Schnürsenkel und Schuhsohlen. Man kann sich im Zug die Schuhe putzen lassen und manchmal auch neue kaufen.
Wahrsager, Zauberer und Priester machen hier ein gutes Geschäft. Ständig tönt der Singsang der Händler durch das Abteil und bieten laut stark ihre Produkte und Dienstleistungen an.

Es ist wichtig die Hygieneregeln einzuhalten. Für Europäer gilt der englische Satz: „Pack it or peel it.“ Was soviel heißt, wie: Es auspacken oder schälen. Wer gegen die bunte Mischung an Viren und Bakterien nicht immun ist, sollte unterwegs nur essen, was er selber aus der Verpackung genommen oder selber geschält hat. Ich habe auch immer ein Hand-Desinfektionsmittel und ein Stofftaschentuch in der Tasche um meine Hände zu reinigen bevor ich im Zug etwas esse. Viele meiner Freunde haben in Indien Durchfall und schlimmeres bekommen. Und auch ich wurde davon nicht verschont, als ich einmal nachlässig wurde. Das war kein Vergnügen.

Man sollte wissen, das in den meisten Zügen in Indien zwar Toiletten sind, diese aber rein gar nichts mit dem zu tun haben, was man braucht, wenn es wirklich nötig ist. Wasser zum Händewaschen oder Toilettenpapier bringt man besser selber mit. Die Frage ob man sich hinsetzen sollte, stellt sich auch gar nicht erst. Die Klos sind eine wilde Mischung aus französischer Hock-Toilette und einem Loch im Boden. Man kann die Gleiße unter einem sehen und den Wind pfeift durch.
Daran habe ich mich bis heute nicht gewöhnt.

© Green Size, Sitzbank im Schlafwagen

Wenn man einen Übernachtzug hat, kann man zum schlafen einfach die Rückenlehne der Sitzbank hoch klappen. Schon hat man ein Drei-Etagenbett. Das Zugpersonal verteilt Decken und Kissen. In einem Großraumabteil mit ca. 30 solchen Betten wird es nie ganz leise.
Irgendwo telefoniert Jemand, Kinder toben durch den Wagen und Leute hören laut Musik über ihr Telefon. Es ist mit Sicherheit voll im Abteil und mit Sicherheit schnarcht mindestens eine Person. Am nächsten Morgen ist man selten wirklich ausgeschlafen, aber trotzdem mag ich diese kleinen Zugabenteuer. Indien Hautnah!

Ich fahre gerne mit dem Zug. Man lernt die Menschen kennen und hört ihre Geschichten. Zugfahren ist umweltfreundlich und entspannt mich. Und an mein Ziel bin ich damit immer gekommen.
Früher oder später.

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